ZWISCHEN KÜNSTLER UND MÖNCH

Kunst am Rad - Kosuke Masuda © Kei Hompo
Kunst am Rad - Kosuke Masuda © Kei Hompo

Japanisches Können mal ganz anders: Kosuke Masuda, der sich selbst als eine Person bezeichnet, die gern zwischen den Welten schwebt, graviert Fahrradlenker und andere Komponenten. Die jahrhundertealte Lehre des Buddhismus und High Tech-Materialien sind für ihn kein Widerspruch.

Kosuke Masuda © Kei Hompo
Kosuke Masuda © Kei Hompo

 

 

 

 

 

 

 

 

Kosuke Masuda ist Künstler und Buddhistischer Mönch zugleich. Geboren 1978 in Yokohama, Japan, widmete er sich zunächst der Kunst, die ihn nach Neuseeland auf die Auckland University führte. Danach studierte er in Japan ‚Mikkyou‘ einen esoterischen Zweig des Buddhismus, den er auch heute noch praktiziert. 

Heute lebt der Vater von zwei Kindern, der sich selbst als eine Person ‚zwischen Künstler und Mönch‘ bezeichnet in einem Kloster. Seine Kunst ist vielseitig: Neben der darstellenden Kunst, bearbeitet Kosuke Masuda Fahrradkomponenten. Begeistert von den scharfen und klaren Linien des Meißels, folgte der Künstler vor einigen Jahren dem Rat eines fahrradbegeisterten Freundes, der ihm vorschlug Fahrradlenker zu gravieren. Der Künstler ließ sich auf die Idee ein, denn die Oberfläche der Komponente schien ihm bei genauerer Betrachtung selbst schon ein Kunstwerk zu sein.

„Ich realisierte, dass Lenker Fahrradkomponenten sind, aber zugleich selbst schon ein wunderbares Kunstwerk. Seitdem liebe ich es, mit dieser herrlichen Komponente zu arbeiten. Seine endlose Oberfläche inspiriert meine meditative Schaffenskraft.“

 


Kosuke Masuda © Kei Hompo
Kosuke Masuda © Kei Hompo

Kosuke Masudas bevorzugtes Material ist Campagnolo, ein Material, auf das er sich hundertprozentig verlassen kann. Gefragt nach der Art und Weise, wie seine Kunstwerke entstehen, erklärt der Künstler in einem Interview: „Es gibt keine Regeln und keine fixe Arbeitsweise für mich. Manchmal sitze ich auf dem Boden, manchmal arbeite ich draußen, auf dem Balkon. Ich plane nicht. Auch eine Meditation kann man nicht planen. Ich halte die Komponente so lange in meinen Händen, drehe und wende sie, bis mir eine Idee kommt. Alles andere ist eine Meditation zwischen der Komponente und meinem Inneren.

Kosuke Masuda © Kei Hompo
Kosuke Masuda © Kei Hompo

 

 

Normalerweise beginne ich mit einem zarten Punkt, mache ihn fester und arbeite weiter so, wie es sich gut anfühlt. Es ist wie das Zeichnen einer Linie, jede Linie besteht letztendlich aus Punkten.“ Kosuke Mazudas künstlerisches Werk ist tiefgründig und immer Ausdruck seiner Philosophie und seines Innersten. Sie ist eng verbunden mit seinem gelebten Buddhismus und führt dem Betrachter das ganz Kleine und das ganz Große zugleich vor Augen. Es verlangt viel Vorstellungskraft, aber auch innere Ruhe, um sich einzulassen auf die Vielzahl von in sich verwundenen und schier endlosen Linien und winzigen Punkten. In seinen Kunstwerken lassen sich Blumen, Blätter, Berge, Wellen, Sterne und sogar das Weltall erkennen und doch sind es immer nur Linien und Punkte, die ihre ganz eigenen Harmonien und Erscheinungsformen bilden.

 

Kosuke Masuda meint dazu: „Ein Punkt kann ein Stern sein oder nur ein Punkt, es kommt darauf an, wie man ihn betrachtet oder welche Vorstellung man sich selber von all diesen Linien und Punkten macht. Die Wahrheit liegt nicht im Kunstwerk oder in der Natur. Die Wahrheit ist in unseren Seelen und Herzen, in dem, was wir Japaner ‚Kokoro‘ nennen. In meiner Arbeit zieht ein Punkt einen anderen nach sich und eine Linie die nächste bis schließlich die Konzentration von Punkten und Linien die Wahrheit unseres ‚Kokoro‘ ans Licht bringt. Es gibt keinen Anfang und keine Ende. Alles ist Harmonie und Vorstellungskraft.“

Auf die Frage, welches sein bisher schönstes Werk ist, gibt der Mönch zur Antwort: „Ich glaube, ich habe noch kein schönstes Werk. Als ich jedoch von meinem Freund hörte, dass sein gravierter Lenker rostig wurde vom Schweiß und vom Regen, fühlte ich, dass das Schönste die Vergänglichkeit der Schönheit ist. Sie wird niemals ausgestellt, sie tritt nur zutage, wenn meine Kunst ein Teil des Fahrrades wird und verwendet wird.“


Text: Cornelia Bubb

Bilder: Kei Hompo

            Kosuke Masuda